Franziskus: ein Papst, der sein Amt in Güte ausüben will

Die tiefe Moralkrise, in der sich die Institution Kirche befindet, veranlasste das Konklave dazu, eine Person zum Papst zu wählen, die die Kraft und den Mut hat, weitgehende Reformen in der römischen Kurie durchzuführen und sein Amt eher in Güte auszuüben als mit juristischer Autorität, durch die die Ortskirchen geschwächt werden. Papst Franziskus bemerkte dies in seiner ersten Ansprache. Sollte sich das bewahrheiten, wird er der Papst des dritten Milleniums sein, und mit ihm wird eine neue „Dynastie“ der Päpste beginnen, welche aus der Peripherie des Christentums kommen werden.

Die Figur des Papstes ist das vielleicht größte Symbol des Göttlichen in der westlichen Welt. Die Gesellschaften, die im Namen der Säkularisierung das Göttliche ausgelagert haben, der Mangel an Leitfiguren und die Sehnsucht nach einer Vaterfigur, die leitet, das Vertrauen bestärkt und den Weg weist, haben dieses Urverlangen des Menschen auf die Figur des Papstes projiziert, was sich auf den Gesichtern der auf dem Petersplatz versammelten Gläubigen ablesen ließ. Von diesem Geist geleitet, brach Papst Franziskus mit dem Protokoll. Er benahm sich wie ein „normaler Bürger“, zahlte seine Hotelrechnung, fuhr mit einem öffentlichen Bus zur Kirche Santa Maria Maggiore und trägt immer noch sein Kruzifix aus Eisen. Daher ist es angebracht zu analysieren, auf welche Art und Weise Papst Franziskus seine Macht ausüben wird.

Für die Christen ist das Amt Petri unerlässlich, der „seine Brüder und Schwestern im Glauben bestärkt“, wozu der Herr ihn beauftragt hat. Rom, wo Petrus und Paulus beerdigt sind, war seit den Anfängen Bezugspunkt der Einheit, der reinen Lehre und Orientierungspunkt für die anderen Kirchen. Diese Position wird auch von nicht-katholischen Kirchen geteilt. Das Problem besteht allerdings in der Art und Weise der Amtsausübung. Papst Leo der Große (440-461) hatte in Ermangelung eines weltlichen Herrschers die Regierung Roms zu übernehmen, um Attila und den Hunnen die Stirn zu bieten. Er wählte die Titel  „Papst“ und „Pontifex Maximus“, den Titel des Kaisers, und verkörperte den kaiserlichen Herrschaftsstil: monarchisch, absolutistisch und zentralistisch mit den Symbolen und Gewändern im Stil der Paläste.

Der Text bezüglich Petrus ist im Sinne Jesu als Dienst und Vorherrschaft der Liebe auszulegen, wurde allerdings von Rom als strikte juristische Macht interpretiert. Dies kulminierte in Gregor VII., der sich mit seinem Dictatus Papae (Diktatur des Papstes)  sowohl die religiöse als auch die weltliche Macht aneignete. Damit kam die Totale Institution auf, die ein Hindernis für die Freiheit der Christen darstellt und für den Dialog mit der globalisierten Welt.

In der Folge trat der Papst immer wie ein absolutistischer Monarch auf, dem alle Macht eigen ist, wie es der Kanon 331 deutlich macht. Er erhebt den Anspruch, alle anderen Kirchen seiner Macht unterzuordnen. Diese absolutistische Machtausübung ist immer wieder in Frage gestellt worden, vor allem durch die Reformatoren. Dennoch wurde sie nie auch nur abgeschwächt. Wie Johannes Paul II in seinem Schreiben über die Ökumene darlegt, ist diese Art der Machtausübung des Amtes Petri das größte Hindernis für die Ökumene und für die Akzeptanz durch die Christen der Moderne, die geprägt ist von Recht und Demokratie. Um dem entgegen zu wirken, arbeiteten die beiden letzten Päpste an der Medienwirksamkeit des Glaubens, indem sie viel reisten und das Weltjugendtreffen organisierten, das in Rio stattfinden wird. Doch damit lassen sich die Mängel nicht beheben.
Diese absolutistische und monarchische Weise der Machtausübung trifft nicht die ursprüngliche Absicht Jesu, sondern führt auf Abwege. Franziskus wird sie nun im Licht der Absicht Jesu prüfen, denn es muss um ein pastorales Papsttum im Dienste der Caritas und der Einheit gehen und nicht mehr um ein Papsttum von absolutistischer Gesetzesgewalt. Das Zweite Vatikanische Konzil hat führte die Mittel ein, mit denen die Kirchenleitung reformiert werden sollte: Die Bischofssynode, die bisher nur eine beratende Funktion innehatte, war ursprünglich als stimmberechtigtes Gremium geplant. Ein exekutives Organ für die Führung der Kirche gemeinsam mit dem Papst müsste gegründet werden. Das Konzil schuf das Bischofskollegium, d. h. Die nationalen und kontinentalen Bischofskonferenzen gewannen an Autonomie, um den Glauben besser in der jeweiligen lokalen Kultur zu verwurzeln und gleichzeitig in Gemeinschaft mit Rom zu bleiben. Es wäre denkbar, dass die Repräsentanten des Volkes Gottes, von den Kardinälen über die Bischöfe, den Klerus bis hin zu den Laien einschließlich der Frauen sich an der Wahl eines Papstes für die ganze Christenheit beteiligen. Dies erfordert eine dringende Reform der Kurie in Einklang mit der Dezentralisierung. Zweifellos wird Papst Franziskus dies tun. Warum sollte das Sekretariat für die nicht-christlichen Religionen nicht seinen Sitz in Asien haben? Das Sekretariat für die Einheit der Christen in Genf in der Nähe des Weltkirchenrats? Das Sekretariat der Missionen in einer afrikanischen Stadt? Das Sekretariat für Menschenrechte und Gerechtigkeit in Lateinamerika?
Die katholische Kirche könnte eine nicht-autoritäre Instanz für die universellen Menschenrechte werden, für die Rechte von Mutter Erde und der Natur, sich gegen die Konsumkultur stellend und zugunsten einer Bescheidenheit, die von allen geteilt wird, mit dem Schwerpunkt auf der Solidarität und der Kooperation, ausgehend von den Ärmsten und gegen das steigende Konkurrenzdenken. Die zentrale Frage ist nicht die Kirche, sondern die Menschheit und Zivilisation, die vom Verschwinden bedroht sind. Was trägt die Kirche zu deren Erhaltung bei? All dies ist möglich und machbar, ohne dafür auch nur irgendetwas von der Substanz des christlichen Glaubens aufgeben zu müssen. Es ist wichtig, dass Papst Franziskus ein Johannes XXIII der Dritten Welt ist, ein „papa buono“ (guter Papst). Nur so könnte die Kirche ihre verlorene Glaubwürdigkeit zurückgewinnen und ein Orientierungspunkt der Spiritualität und der Hoffnung für alle werden.

übersetzt von Bettina Gold-Hartnack

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