Leonardo Boff
Wir leben in einem Wirbelsturm von Konflikten und Bedrohungen, wie es ihn in der Geschichte der Menschheit selten gegeben hat. Zwei skandalöse Tatsachen erfüllen uns mit Empörung und Scham: der Völkermord unter freiem Himmel, der in Netanjahus grausamem Krieg gegen das palästinensische Volk im Gazastreifen weitergeht. Dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit wird von einer Koalition von Kräften verübt, deren Wurzeln im Christentum liegen: die europäische Gemeinschaft und ein ehemaliger katholischer Präsident, Joe Biden, und ein anderer, der sich ebenfalls als Katholik präsentiert, von der perversesten Art, Donald Trump. Künftige Geschichtsbücher (wenn es überhaupt noch Geschichte geben wird) werden diese unsägliche Grausamkeit schonungslos anprangern.
Wir wissen nicht, ob die andere Tatsache lächerlicher ist als ein unlustiger Scherz oder ob es sich um eine wahre Aussage handelt: Donald Trump hat sich zum Präsidenten der USA und der Welt, ich wiederhole, zum Präsidenten der Welt, ausgerufen. Wir haben den Eindruck, dass wir uns in den dekadenten Zeiten der römischen Kaiser befinden, von denen die meisten verrückt waren und zu solchen Dummheiten fähig.
Trump führt einen Krieg gegen die gesamte Menschheit, denn er hat mit allen gebrochen, mit Freund und Feind gleichermaßen, und will sich als Herr der Welt aufspielen, ohne jede Chance auf Erfolg, denn die Menschheit ist weise und wird sich gegen eine solche Arroganz zu wehren wissen.
Ich erwähne diese unheilvollen Ereignisse, weil wir uns im Kontext eines Konklaves der Kardinäle befinden, die zusammengekommen sind, um den Nachfolger von Papst Franziskus zu wählen. Seien wir nicht naiv: Trotz der geheimnisvollen Gegenwart des Heiligen Geistes brechen auch im Inneren, verschlossen, Konflikte auf. Sie sind in gewisser Weise natürlich, denn die katholische Kirche als religiöse Institution ist nicht um das Buch der Evangelien herum organisiert, sondern um die sacra potestas (heilige Macht). Seit dem 3. Jahrhundert ist die Macht, ein Erbe der römischen Kaiser, die zentrale Kategorie, die die kirchliche Institutionalität prägt. Und dieser Zustand hält bis heute an, und zwar so sehr, dass der kleine Vatikanstaat die einzige noch existierende absolute Monarchie ist. Sehen Sie, was das Kirchenrecht in Kanon 331 über das Oberhaupt der Kirche sagt: „Der Hirte der Universalkirche (der Papst) hat die ordentliche, höchste, volle, unmittelbare und universelle Macht in der Kirche.“ Diese Macht wird später noch durch die Eigenschaft verstärkt, dass der Papst in Fragen der Lehre und Moral unfehlbar sei. Kann ein sterblicher und sündiger Mensch wie jeder andere alle diese Eigenschaften in sich tragen, die in Wahrheit nur Gott zustehen?
Diejenigen, die sich von der Macht leiten lassen, ganz gleich, wie sie bezeichnet wird, ob politisch, wirtschaftlich oder religiös, gehorchen dieser Logik, die der große Machttheoretiker Hobbes so gut formuliert hat:
„Ich stelle als allgemeine Tendenz aller Menschen ein immerwährendes und rastloses Verlangen nach Macht und mehr Macht fest, das erst mit dem Tod aufhört. Der Grund dafür liegt nicht in einem intensiveren Vergnügen, das man sich erhofft, sondern in der Tatsache, dass die Macht nur durch das Streben nach noch mehr Macht gesichert werden kann.“ Ich stelle fest: Das alles hat nichts mit Papst Franziskus zu tun, der in seiner ersten Verkündigung klar gesagt hat, dass er die Kirche nicht durch das kanonische Recht (can. 331), sondern durch die Liebe und das Evangelium führen wird.
Das Thema der Macht findet auch im Konklave seinen Widerhall. Da sind die Ultrakonservativen wie Kardinal Robert Sarah aus Guinea, Kard. Leo Burke aus den USA und Kardinal Gerhad Müller aus Deutschland, die eine extrem konservative Kirche postulieren, eine regelrechte Zisterne mit totem Wasser. Sie sind gegen alle Reformen, die bereits durchgeführt wurden und offiziell sind. Es gibt eine ganze Reihe von Konservativen, die sich dafür einsetzen, dass die Strukturen der Kirche so bleiben, wie sie sind, mit der Ausgrenzung der Frauen und dem Gehorsam der anderen Christen. Sie würden gerne zur lateinischen Messe und dem Priester mit dem Rücken zum Volk zurückkehren. Zum Erstaunen aller gibt es auch eine verschwörerische Organisation namens Red Hat Report, die von konservativen US-Katholiken, von Tycoons, die mit Trump und dem ultrakonservativen Bennan in Verbindung stehen, finanziert wird und die die Dienste der CIA und des FBI in Anspruch nimmt, um Daten über das Privatleben progressiver Kardinäle zu sammeln, mit der Absicht, sie zu manipulieren und das Konklave zu stören. Ihr Interesse besteht darin, die Wahl eines progressiven Papstes zu verhindern, der mit der Ausrichtung der Regierung unzufrieden ist, und einen Konservativen zu bevorzugen, der mit der autoritären Politik der derzeitigen Regierung im Einklang steht.
Und es gibt eine ganze Reihe von Orientierungen: Einige Kardinäle sind fortschrittlicher in dem Sinne, dass sie mit der modernen Welt gehen, andere sind fortschrittlich, aber kritisch gegenüber der Moderne, weil sie befürchten, die Gläubigen mit Gedanken zu kontaminieren, die nicht mit dem offiziellen Christentum übereinstimmen. Wieder andere sind offen franziskanisch, setzen sich für die Armen ein, verteidigen eine flexiblere Moral in Bezug auf Geschiedene, heißen Menschen mit anderen sexuellen Optionen willkommen und sind offen für den Dialog mit allen, so wie Papst Franziskus es war. Es ist von allem ein bisschen dabei.
Wie werden sich die Kardinäle aus so vielen verschiedenen Ländern und Kulturen kennen lernen? In der ersten Woche des Konklaves werden die internen Probleme der Kirche und der Welt erörtert: Es werden die wichtigsten Herausforderungen identifiziert und die grundlegende Frage aufgeworfen: Welcher der Kardinäle wäre am besten geeignet, diese enorme Aufgabe zu übernehmen? Da ist Kardinal Tagle aus Manila, der ganz im Sinne von Papst Franziskus für eine arme Kirche und vor allem für die Armen eintritt. Da ist Kardinal Zuppi aus Bologna, der in einer christlichen Gemeinschaft lebt, mit dem Fahrrad zum Palast fährt und der sich eindeutig für alle Randgruppen der Gesellschaft einsetzt und eine Kirche für alle ohne jegliche Diskriminierung befürwortet. Da ist Kardinal Pietro Parolin, Staatsoberhaupt und enger Freund von Papst Franziskus, ein wenig konservativ in der Doktrin, aber völlig offen für eine Kirche, die sich den Herausforderungen der neuen planetarischen Phase stellt.
Wohin wird die Wahl von so vielen Kardinälen mit so vielen theologischen und pastoralen Linien führen? Niemand weiß es. Die Hypothese ist jedoch bekannt: Wenn selbst unter den „papabili“ ein gewisser Konsens nicht erreicht wird, wird jemand gesucht, der diskreter ist, der fähig ist, einen Dialog mit den verschiedenen Parteien zu führen und einen Konsens herzustellen. Ich schlage den Namen von Kardinal Leonardo Ulrich Steiner von Manaus vor, einem Franziskaner und Verwandten von Kard. Paulo Evaristo Arns. Er hat eine gute Welterfahrung, spricht fließend Portugiesisch, Italienisch und Deutsch und verfügt über eine gesicherte theologische und geistliche Ausbildung. Und das Entscheidende: Er ist der einzige Kardinal aus dem riesigen Amazonas-Biom. Der Amazonas wird angesichts der ökologischen Unruhen und der globalen Erwärmung sicherlich eines der zentralen Themen in den Debatten zwischen den Kardinälen sein. Kardinal Leonardo hat sich einen Namen gemacht, indem er die Ureinwohner, die Fluss- und Waldbewohner verteidigt hat. Er war hart gegen den früheren Präsidenten Bolsonaro, weil er viele Covid-19-Opfer sterben ließ, vor allem weil er Krankenhäuser ohne Sauerstoff beließ. Vom Temperament her ist er heiter und sanft, und sein Blick ist tief auf die Menschen gerichtet, vor allem auf die, die am meisten leiden. Wer weiß, vielleicht ist er die Konsensfigur? Wenn dem so ist, würde es mich nicht wundern, wenn er folgenden Namen annimmt: Papst Franziskus II.
Möge der Geist in diese Richtung wehen und auf diesem Kardinal ruhen.
Leonardo Boff Ökotheologe und Schriftsteller
Übersetzt von Bettina Goldharnack